Kodex der Initiative für gewaltfreies Hundetraining 2025
Wir orientieren uns an den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen der «Canine Science». Unser Ansatz für das Training und den allgemeinen Umgang mit dem Hund ist daher naturwissenschaftlich und empirisch fundiert.
Das Wohlbefinden und die Gesundheit des Hundes stehen im Mittelpunkt, da sie einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten und die Lernfähigkeit haben. Der individuelle, möglichst effektive Trainingsplan zielt immer darauf ab, das Trainingsziel bei Minimierung von Stress und Angst sowie Wahrung des Wohlbefindens zu erreichen.
Unsere Trainingsansätze enthalten niemals ein systematisches, gezieltes Zufügen von Schmerz- oder Schreckreizen, angstauslösenden Reizen sowie Einschüchterungen oder den Entzug des Gefühls der Kontrolle.
Unsere Trainingsansätze basieren auf folgenden Modellen:
Das bedeutet für uns:
Operante Konditionierung:
Fachpersonen, welche diesen Kodex unterstützen, halten sich gleichzeitig an die Checkliste der Initiative für gewaltfreies Hundetraining zur Erkennung kompetenter Hundetrainer:nnen.
Interpretationen von Hundeverhalten
Zur Einschätzung von hündischem Verhalten orientieren wir uns an wissenschaftlich belegten Erkenntnissen zur Körpersprache und einer wohlwollenden Auslegung. Wir distanzieren uns von Verhaltensetikettierungen wie «dominant», «respektlos» oder «frech» sowie von den wissenschaftlich widerlegten Interpretationen aufgrund des «Dominanz-Modells» in der Mensch-Hund-Beziehung («Rangordnung», «Alpha», «Rudelführer»), die zur Legitimation von aversiven Handlungen genutzt werden (Bradshaw et al., 2009; Yin, 2007).
Stetige Weiterbildung
Es werden fortwährend neue wissenschaftliche Erkenntnisse publiziert und die praktische Anwendung befindet sich in ihren Details in steter Anpassung und Veränderung. Wir verpflichten uns zur stetigen Weiterbildung, um neue Erkenntnisse in unsere Arbeit einfliessen zu lassen.
Zusammenarbeit mit Spezialist:innen
Es ist eine Stärke, die eigenen Grenzen der Erfahrung und Kompetenz zu erkennen. Sollten wir bei einem schwierigen Fall (v.a. bei Angst- oder Aggressionsverhalten) an unsere Grenzen stossen, ist der frühzeitige Einbezug oder die Weiterleitung an eine den Kodex befürwortende, versierte Fachperson (Verhaltenstraining, Hundetraining, Verhaltensmedizin, Veterinärmedizin, Physiotherapie etc.) der richtige nächste Schritt.
Unsere ethische Haltung
Wir denken, dass der Zweck die Mittel nicht heiligt, wenn die Mittel unverhältnismässig sind und bessere Alternativen vorhanden sind.
Bei unseren Handlungen lassen wir uns von einem ethischen Rahmen leiten. Wir berücksichtigen die Interessen und die Leidensfähigkeit aller beteiligten Lebewesen und streben stets danach, die Situation für alle beteiligten Lebewesen nachhaltig zu verbessern.
Wir sind uns bewusst, dass Hunde empfindungsfähige und leidensfähige Lebewesen sind. Wir sind in einer Machtposition und stehen somit in der Verantwortung, ihre Bedürfnisse so gut wie möglich zu erfüllen, ihre Interessen zu wahren und ihr emotionales wie physisches Wohlbefinden anzustreben beziehungsweise zu erhalten.
Die Initiative für gewaltfreies Hundetraining behält sich vor, diesen Kodex zu überarbeiten, beispielsweise aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse oder verbesserter Formulierungen.
Stand März 2025
Quellen
Bradshaw, J. W., Blackwell, E. J. and Casey, R. A. (2009). Dominance in domestic dogs – useful construct or bad habit? Journal of Veterinary Behavior, 4, 135–144.
Fernandez, E.J. (2024). The least inhibitive, functionally effective (LIFE) model: A new framework for ethical animal training practices, Journal of Veterinary Behavior, 71, 63-68.
Lindsay, S.R. (2005). Handbook of Applied Dog Behaviour and Training: Procedures and Protocols Vol. Blackwell Publishing, Ame, Iowa.
Yin, S. (2007). Dominance versus leadership in dog training. Compendiumvet.com, July 2007, 414–417.
Checkliste der Initiative für gewaltfreies Hundetraining zur Erkennung kompetenter Hundetrainer:innen 2025
So erkenne ich kompetente Trainer:innen
«Hundetrainer:in» (Hundepsychologe, Hundecoach etc.) ist kein geschützter Beruf. Jede Person darf sich so nennen und entsprechende Dienstleistungen anbieten – selbst ohne fachliche Ausbildung. Zudem gibt es grosse Unterschiede in der Qualität der verschiedenen Hundetrainerausbildungen.
Die folgenden Checklisten können helfen, gute Trainer:innen zu erkennen, die nach dem Kodex der Initiative für gewaltfreies Hundetraining arbeiten:
Kompetente Hundetrainer:innen ...
… verfügen über eine einschlägige, nachweisbar abgeschlossene Ausbildung und bilden sich laufend fort
… berücksichtigen gesundheitliche und verhaltensspezifische Ursachen für unerwünschtes Verhalten
… arbeiten mit Tierärzt:innen und/oder Verhaltensmediziner:innen zusammen, um medizinische Ursachen auszuschliessen und/oder medikamentöse Unterstützung zu prüfen
… bauen das individuell gestaltete Training auf gemeinsamen Erfolgserlebnissen auf
… arbeiten bedürfnisorientiert, kleinschrittig und systematisch auf Basis der positiven Verstärkung
… arbeiten, wenn immer möglich, unterhalb der Reizschwelle und steigern die Schwierigkeit langsam
… lassen dem Hund Wahlmöglichkeiten und das Gefühl der Kontrolle
… gehen respektvoll mit Menschen und Hunden um
Beispiele sinnvoller Hilfsmittel im Hundetraining
No-Go-Hilfsmittel
Diese Hilfsmittel haben im modernen Hundetraining nichts verloren und sind teilweise verboten.
Beispiele:
No-Go-Massnahmen
Diese Massnahmen haben im modernen Hundetraining nichts verloren und verstossen zum grossen Teil auch gegen das Tierschutzgesetz.
Beispiele:
Nobody is perfect!
Im Alltag begegnen uns unvorhersehbare (Not-)Situationen, in denen wir unangenehm auf den Hund einwirken, um ihn oder das Umfeld zu schützen. Manchmal erschrecken wir ihn oder handeln im Affekt, beispielsweise indem wir laut werden oder ihn grob festhalten. Dann befinden wir uns im Bereich der «positiven Strafe» (etwas Unangenehmes wird dem Hund hinzugefügt). Solche affektiven und/oder unbeabsichtigten Einwirkungen unterscheiden sich jedoch grundlegend von geplantem Training. Im gezielten und geplanten Umgang und Training mit dem Hund verzichten wir bewusst auf aversive Einwirkungen.
Kompetentes Training bedeutet, bewusst auf erschreckende oder ängstigende Einwirkungen zu verzichten, keine körpersprachlichen Bedrohungen und Einschränkungen zu nutzen oder Hilfsmittel einzusetzen, die Schmerzen verursachen. Es wird kontinuierlich danach gestrebt, fair und respektvoll mit dem Hund umzugehen.
Stand März 2025
Teilnehmende Hundeschulen Schweiz
Teilnehmende Hundeschulen Österreich
Teilnehmende Hundeschulen Deutschland
Informationen zu gewaltfreiem Training
Informationen für Hundetrainer die sich anschliessen möchten
Photo: Monika Oberli